BARRIEREFREIHEIT UND INKLUSION
VERSCHIEDENHEIT ALS BEREICHERUNG
In Deutschland hat jeder Mensch das Recht, dabei zu sein – egal ob auf der Arbeit, beim Sport oder im Theater. Ob alt oder jung, behindert oder nicht, jeder darf und soll am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Wie Inklusion gelingen kann und was das eigentlich genau bedeutet, erklären wir Ihnen hier.
Inklusion: Gemeinsam verschieden sein
Jeder soll ein aktiver Teil der Gesellschaft sein können
Inklusion bedeutet nicht, bestimmten Menschen oder Gruppen Vorteile oder besondere Leistungen einzuräumen. Vielmehr bedeutet es, dass jeder an unserer Gesellschaft teilnehmen kann und jeder etwas davon hat, wenn Inklusion weiter vorangebracht wird:
Wenn es zum Beispiel weniger Treppen gibt, können Menschen mit Kinderwagen, ältere Mitbürger oder Personen mit Behinderungen viel besser am sozialen Leben teilnehmen. Wenn alle Menschen selbstverständlich dabei sein können, werden Unterschiede zunehmend unwichtig. Egal wie alt jemand ist, welchen Geschlechts, ob mit oder ohne Behinderungen und unabhängig der Herkunft: durch Inklusion haben alle gleichermaßen die Möglichkeit am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Nicht Exklusion, nicht Integration… sondern Inklusion!
In einer inklusiven Gesellschaft wird keiner außen vor gelassen. Nur weil jemand nicht ins „Raster“ passt, heißt das nicht, dass er nicht ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft sein kann. Im Gegenteil: Verschiedenheit ist in einer inklusiven Welt ganz normal und sogar eine Bereicherung!
Inklusion zwingt auch niemanden sich zu verbiegen: Keiner soll sich krampfhaft verstellen oder anpassen, um einer Norm zu entsprechen. Im Zweifel klappt das sowieso nicht. Vielmehr soll jeder Mensch offen für andere Ideen sein, anstatt eine Person für ihre Andersartigkeit zu kritisieren.
Erst wenn jeder Mensch akzeptiert wird, wie er ist, und die Abweichung vom Standard nicht mehr als Schwäche, sondern als potenzielle Stärke verstanden wird, können wir von Inklusion sprechen – von einer bunten Gesellschaft, in der wir verschieden sein dürfen. Und das sogar gut so ist.
Inklusion als Menschenrecht
Inklusion ist in Deutschland ein gesellschaftliches und politisches Ziel. Daher steht seit 1994 in unserem Grundgesetz:
„Niemand darf wegen seiner Behinderung
benachteiligt werden“.
(Artikel 3, Grundgesetz)
Damit darf der Staat Menschen mit Behinderung nicht anders behandeln als alle anderen Mitbürger unserer Gesellschaft. Seit 2002 gibt es weitere Gesetze, um Inklusion weiter voranzutreiben:
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) (BGG) verpflichtet Behörden zum Beispiel dazu, Ihre Internetseiten, Formulare und Anträge barrierefrei zu gestalten.
Die Weiterentwicklung des BGG regelt auch Fragen der Barrierefreiheit in den Bereichen Bau, Infrastruktur und die Verwendung der Gebärdensprache sowie der Leichten Sprache.
Das heißt, dass jeder Mensch grundsätzlich Zugang zu ihnen haben muss und sie auch tatsächlich benutzen kann. Im Jahr 2006 kam das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) hinzu, das viele Menschen auch Anti-Diskriminierungsgesetz nennen. Das Gesetz verbietet es, Menschen mit Behinderung zu benachteiligen.
Wenn Sie sich zum Beispiel auf einen Job bewerben und Sie eine Behinderung haben, darf der Arbeitgeber Sie nicht wegen Ihrer Behinderung ablehnen. Auch in der Schule oder bei einem Vertragsabschluss zwischen zwei Menschen darf keiner wegen einer Behinderung anders behandelt werden.
Außerdem schützt das Gesetz auch andere Personengruppen: Zum Beispiel ist es nun per Gesetz nicht gestattet, Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder wegen ihres Alters anders zu behandeln als andere.
Seit 2009 gilt in Deutschland zudem die UN-Behindertenrechtskonvention.
175 Staaten weltweit verpflichten sich in ihr, die Inklusion in ihren Gesellschaften weiter voranzutreiben und dabei vor allem drei Grundsätzen zu folgen:
- Selbstbestimmung
Menschen mit Behinderung dürfen selbst entscheiden, wo sie wohnen oder welchen Beruf sie erlernen wollen. - Teilhabe
Sie haben das Recht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. - Gleichstellung
Menschen mit Behinderung sollen so leben können, wie alle Menschen.
Mit der UN-Behindertenrechtskonvention wurde Inklusion somit ganz offiziell und international anerkannt und als Menschenrecht etabliert.
Eine Aufgabe für uns alle
Inklusion funktioniert nur, wenn sie im Alltag gelebt wird
Es ist wichtig, dass der Staat Inklusion in Gesetzen festschreibt, um den sicheren Rechtsanspruch auf Leistungen zu verankern und ein klares Zeichen zu setzen.
Mindestens genauso wichtig ist jedoch das zivilgesellschaftliche Engagement aller Bürger. Denn nur, wenn auch im Alltag Inklusion wirklich gelebt wird, sei es zum Beispiel am Arbeitsplatz, in der Schule, beim Sport oder im Kulturbetrieb, wird gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen zur erfahrbaren Realität.
Deshalb sind Verbände, Initiativen, kommunale Projekte & Co. an denen jeder sich beteiligen kann, wenn er möchte, so wichtig. Wir bieten auf unserer Seite eine Suche an, über die Sie ganz leicht Projekte in Ihrer Nähe zum Thema Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe finden können:
Sie betreuen selbst ein Projekt und möchten es einer breiteren Öffentlichkeit bekannt oder zugänglich machen? Dann können Sie Ihre Initiative auf der Seite der Inklusionslandkarte registrieren. Die Suche ist ein Angebot des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung und bietet einen guten Überblick über Inklusions-Projekte in Deutschland.
Hier können Sie Ihr Projekt oder Ihre Initiative zum Thema Inklusion anmelden oder selbst Projekte in Ihrer Nähe finden.
Ihr Anspruch auf Leistungen
Der gesetzliche Rahmen für Leistungsansprüche
In Deutschland gibt es u.a. ein wichtiges Gesetz für Menschen mit Behinderung, aus denen sich Leistungsansprüche ableiten lassen: Das Sozialgesetzbuch IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen)
Nach diesen Gesetzen haben Menschen mit Behinderungen das Recht, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und zum Beispiel finanzielle Hilfen zu erhalten, wenn dem etwas im Wege stehen sollte.
Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist Ende des Jahres 2016 eine der großen sozialpolitischen Reformen der letzten Legislaturperiode verabschiedet worden.
Das BTHG wurde als Artikelgesetz mit dem Schwerpunkt der Neufassung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erarbeitet. Das SGB IX hat künftig die folgende Struktur.
- Im SGB IX, Teil 1 ist das für alle Rehabilitationsträger geltende Rehabilitations- und Teilhaberecht zusammengefasst.
- Im SGB IX, Teil 2 wird die aus dem SGB XII herausgelöste und reformierte Eingliederungshilfe als „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung von Menschen mit Behinderungen“ geregelt.
- Im SGB IX, Teil 3 steht das weiterentwickelte Schwerbehindertenrecht.
Das BTHG schafft mehr Möglichkeiten und mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen.
Eine gute Ausbildung muss unabhängig von Behinderungen möglich sein
Wenn etwa eine gehörlose Studentin an einer Vorlesung teilnehmen möchte, kann sie einen Gebärdensprachdolmetscher bekommen. Wie ein Dolmetscher gefunden werden kann und was zu beachten ist, erklären wir Ihnen hier:
Gebärdensprachdolmetscher finden
Hilfsmittel ermöglichen die Teilnahme am (Arbeits-)Leben
Ein Mensch mit Sehbehinderung am Arbeitsplatz hat das Recht auf technische Hilfsmittel. Oder wenn ein Mensch mit Behinderung ins Kino oder zum Konzert gehen möchte, kann er oder sie eine persönliche Assistenz bekommen.
Jeder soll selbstbestimmt leben können
Menschen mit Behinderung haben durch die Gesetze das Recht, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es wollen, so fordert es auch die weiter oben beschriebene UN-Behindertenrechtskonvention. Sie können selbst entscheiden, woran und wie sie teilhaben möchten, ohne sich anpassen zu müssen.
Ganz konkret: Inklusion in der Schule
Inklusive Schulen berücksichtigen individuelle Bedürfnisse
Inklusion bringt große Veränderungen mit sich, wenn sie konsequent umgesetzt wird. Kinder mit Behinderungen werden dann nicht länger an Förderschulen unterrichtet, sondern kommen an reguläre Schulen. Dort gestaltet dann die Lehrkraft den Unterricht gemeinsam mit Kolleginnen oder Kollegen aus der Sonderpädagogik, um die nötige Betreuung im Unterricht zu gewährleisten und die Inklusion zu erleichtern.
Je nach Bedarf haben einzelne Kinder außerdem persönliche Assistentinnen oder Assistenten zur zusätzlichen Unterstützung an ihrer Seite. Im Unterricht werden die persönlichen Voraussetzungen der Kinder berücksichtigt: individuelles Lerntempo, spezielle Arbeitsblätter, Gruppenarbeit. Kinder mit Sehbehinderung können sich über ihren Computer mit der elektronischen Tafel verbinden, für Kinder mit Hörbehinderung wird auf gute Raumakustik geachtet.
Wie inklusiv sind deutsche Schulen?
Bundesweit liegt der Anteil von Kindern mit Förderbedarf, die inklusiven Unterricht besuchen, nach jüngsten Berechnungen bei ca. 37 Prozent (im Schuljahr 2015/16). Innerhalb Deutschlands schwanken die Zahlen zwischen rund 25 (Hessen) und etwa 65 Prozent (Schleswig-Holstein).
Der Grund: Bildung ist Ländersache. Jedes Bundesland geht die Umsetzung der Inklusion anders an. Während einige Bundesländer viele Förderschulen schließen, richten andere zunächst Schwerpunkte für die unterschiedlichen Förderbedarfe an einzelnen Regelschulen ein.
Und wie kann Inklusion gelingen?
Die Umsetzung der Inklusion läuft nicht an allen Schulen gleich gut und an der einen oder anderen Stelle hakt es noch etwas. Das ist in Übergangsphasen ganz normal und typisch für Systemwechsel. Für gelungene Inklusion gibt es aber an vielen Schulen gute Beispiele, das wird leider häufig übersehen. Und auch, dass für einen erfolgreichen inklusiven Unterricht bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen.
Zuallererst braucht es den Rückhalt durch die Politik: Land und Kommunen stoßen immer mehr Reformen in der Schulorganisation an, um Lehrern und Pädagogen Aufwind für ihre tägliche Arbeit zu geben. Ob es nun um bauliche Veränderungen oder um Unterrichtskonzepte geht, Bund und Länder sind bemüht, die besten Rahmenbedingungen für gelingende Inklusion in Schulen zu stellen. So müssen angehende Lehrkräfte bereits in ihrer Ausbildung auf die Vielfalt in den Klassenzimmern vorbereitet und zusätzlich Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen in den Schulen eigesetzt werden. Natürlich spielen hier auch finanzielle Mittel eine Rolle.
Aber: Geld ist nicht alles.
Inklusion ist auch eine Frage der Haltung.
Lehrerinnen und Lehrer müssen – ebenso wie die Eltern von Kindern ohne Behinderung – offen für die Veränderungen in der Schule sein und konstruktiv zusammenarbeiten. Der Erfolg von schulischer Inklusion hängt also stark von den Menschen vor Ort ab.